Mit großem inneren Empfinden begeister

von Chr. Schulte im Walde, Westfälische Nachrichten, 16. Januar 2020

Natürlich Beethoven! Womit sonst hätte das Collegium musicum sein Konzert im Hörsaal H1 auch eröffnen sollen? Also: Zu des Meisters Geburtstag gab es die „Fidelio“-Ouvertüre. Feierlich. Aber auch mit gedämpften Tönen, schließlich wird in „Fidelio“ ganz schön gelitten.
 
Genauso wie in Edward Elgars Cellokonzert. Ja, in der Tat! Elgar steht vor einer Welt, die im Entstehungsjahr des Werkes 1919 in Trümmern lag. Und leidvoll verabschiedet er sich von sich selbst, weil die Zeitläufe eine andere Richtung nehmen als die seiner spätromantischen Musik. Von diesem doch eher tragischen Lebensgefühl ist Elgars Solitär geprägt. Aber wie transportiert man es glaubwürdig nach außen?
 
Aaron Schröer scheint es zu wissen. Mit welch einem großen inneren Empfinden spürt er all den dichten Gefühlen und melancholischen Stimmungen Elgars nach. Wie die welk gewordenen Blütenblätter einer Rose klingt da manche Phrase. Und wie beseelt schaut Schröer in das tiefste Innere des Adagio-Gesangs. Kann man solches von einem gerade mal 18-jährigen Solisten am Cello erwarten? Nein.
 
Um so mehr durfte man mächtig staunen über Schröers intensive Interpretation. Erst recht über seinen balsamischen Cello-Ton, mit dem der Münsteraner sein Publikum unmittelbar in den Bann zieht. Abgesehen von seiner geradezu unfehlbar sicheren Intonation schafft er es, sich perfekt mit dem Collegium musicum abzustimmen, bis hinein in feine agogische Nuancen – immer mindestens ein Auge auf Dirigent Jürgen Tiedemann und die Leute vom Orchester gerichtet. Das ist absolut professionell. Und klanglich einfach ein Erlebnis. Als Zugabe nach dem Riesenbeifall ein Spiel mit der Stille, mit höchsten Tönen, mit filigranem Gewebe: Peteris Vasks‘ „Pianissimo“.
 
Gut zu tun hatten Jürgen Tiedemann und das CollMus bereits im Elgar, aber nicht weniger in Igor Strawinskys Sinfonie Nr. 1. Ein echtes Kontrastprogramm zum Cellokonzert, in dem gleich zu Beginn so richtig die Sonne aufgeht. Eigentlich geht sie dann auch kaum noch unter. Strawinsky entwickelt ungebremstes Brio, es ist viel in Bewegung, vor allem wenn er im zweiten Satz eine imaginäre Nähmaschine anwirft für eine rastlose Toccata. Strawinsky im Romantik-Rausch. Manches klingt entfernt nach Dvořák, manches nach Mussorgsky. Und das Finale wirkt, als sei Tschaikowsky noch einmal aufgewacht. Alles gute Musik, womöglich etwas zu lang. Aber unbedingt hörenswert. Und mit Verve und Brillanz umgesetzt vom hellwach aufspielenden CollMus. Bravo!