Für Uni-Orchester beginnt neue Zeitrechnung

Das kann richtig gut werden: Das Collegium musicum zeigt mit seiner neuen Dirigentin Marion Wood, dass es besondere Momente zum münsterischen Musikleben beisteuern kann. Auch wenn es gegen unwürdige Bedingungen anspielen muss.

Von Robin Gerke | Westfälische Nachrichten | 16. Januar 2025

Marion Wood tritt ans Dirigentenpult– zum ersten Mal vor Publikum mit dem Collegium musicum instrumentale. Foto: Robin Gerke

Sie sind nicht einfach, diese ersten Töne. Überhaupt ist „In the Fen Country“ von Ralph Vaughan Williams ein Stück, bei dem viel schiefgehen kann. Davon lässt sich das Collegium musicum instrumentale der Uni Münster nicht einschüchtern – und erst recht nicht dessen neue Dirigentin Marion Wood, die mit diesem Einstieg ein Statement setzt: Wir trauen uns
was.

Vertrackte Rhythmen und heikle Harmonien hat Wood, die seit mehr als zehn Jahren das münsterische Musikleben mitprägt, souverän in der Hand. Zwischen ihr und Orchester gespannter Erwartung wird bald ein genüssliches Zurücklehnen: Hier geht so schnell nichts schief.

Mit Mozart startet wienerisches Kontrastprogramm

Und so entwickelt sich aus der wehmütigen Melodie, mit der das Englischhorn ganz alleine loslegt, ein stimmungsvolles Bild von der Marschlandschaft –den Fens – im Osten Englands. Oder auch vom Venner Moor, ganz nach dem persönlichen Assoziationshorizont. Damit ist es aber schnell vorbei, denn mit Mozarts Hornkonzert Nr. 3 startet ein ziemliches Kontrastprogramm.

Geradezu brav und gefällig kommt es daher – Wiener Klassik in Reinform. Nichts sticht heraus, die Tempi sind fein austariert – auch bei dieser Musik kommt es auf die Details an, damit es wirkt. An dieser Wirkung hat Hartmut Welpmann einen Löwenanteil. Der Solohornist der Bielefelder Philharmoniker veredelt den homogenen Orchesterklang meisterhaft, und vor allem der quirlige Dritte Satz macht in dieser Konstellation einfach Spaß.

Hartmut Welpmann ist unter anderem Solohornist bei den Bielefelder Philharmonikern. Foto: Robin Gerke

Aus Orchesterkreisen ist immer wieder zu hören, dass die Stimmung bei den Proben mit Marion Wood hervorragend sei. Gute Voraussetzungen also für eine lange Zusammenarbeit? Musikalisch deutet an diesem Abend alles darauf hin. Die räumlichen Voraussetzungen für die Semesterkonzerte im (immerhin gut besetzten) Hörsaal H1 sind leider bedauerlich wie eh und je.

Orchester muss gegen Akustik anspielen

Das Blech sitzt wie weggeparkt vor der Bühne, weil darauf schlicht kein Platz ist. Und die Akustik? Trocken wäre als Beschreibung noch wohlwollend. In der quasi nicht vorhandene Nachhallzeit hat kaum ein Ton die Chance, Leben zu entwickeln. Dass das Collegium musicum einen Saal verdient hat, gegen den es nicht anspielen muss, ist schon lange klar. Umso bemerkenswerter ist das, was im letzten Teil des Konzerts passiert.

Auch Jean Sibelius‘ Sinfonie Nr. 5 ist kein einfaches Werk. Spätestens, wenn die Hörner im dritten Satz zum ersten Mal das berühmte Schwanenmotiv in ganzer Pracht ausbreiten, freuen sich vor allem die, die im rechten Teil des Saals sitzen – dort, wo ob der ungewöhnlichen Sitzordnung die Schalltrichter des Hornsatzes hinzeigen.

Aber auch die, die nicht unmittelbar „im Strahl“ sitzen, kommen auf ihre Kosten. Immer weiter schaukelt sich das hymnenartige Thema auf und setzt sich über jede akustische Widrigkeit hinweg. Das sitzt. Frenetischer Applaus nach den sechs wie abgerissen wirkenden Schlussakkorden.

Souverän und fein austariert: Die neue Konstellation funktioniert. Foto: Robin Gerke

Aus Marion Wood, die bisher mit sehr gemessenen Bewegungen durch die Musik geführt hat, bricht alles heraus: die Begeisterung für die Musik, für ihr neues Orchester, das sie fast noch energischer feiert, als das Publikum es tut – eine Zugabe muss her. „Buchstabe N“ verweist Wood auf die entsprechende Stelle der Partitur, und der grandiose Schluss erklingt noch einmal.

Noch einmal in Gänze erklingt das Programm übrigens am Donnerstag, 16. Januar, um 20.15 Uhr im Hörsaal H1.