Mit dem Feuer der Leidenschaft

von Chr. Schulte im Walde, Westfälische Nachrichten, 27. Januar 2016

Collegium musicum und Solistin Bettina Hartl dringen in Piazzollas Welt der Gefühle vor

Schon nach den ersten zehn, zwanzig Takten war sonnenklar: Dies wir ein tolles, ein spannendes Konzert! Weil das Collegium musicum bei seinem Semesterabschlusskonzert am Dienstag im Hörsaal H1 von Anfang an zielgenau den richtigen Groove auflegte für Leonard Bernsteins „West Side Story“-Medley. Knackige Blechbläser, die Hörner aufgepeppt von einer Saxofon-Batterie, seidenmatte Streicher, die liebevoll ihr „Maria“ sangen, das optimistisch schwungvolle „Tonight“ – eine grandiose Eröffnung!

Und es ging weiter so mit diesem Luxus-Klang. Und einer Luxus-Solistin die man nun wirklich nicht alle Tage erlebt: Denn was Bettina Hartl da auf ihrem Bandoneon präsentierte, war vom Allerfeinsten. Bandoneon? Na klar, das ist das Tango-Instrument par excellence. Und wer an Tango denkt, denkt an Astor Piazzolla. Eine halbe Stunde lang entführten Hartl, das „CollMus“ und sein Dirigent Jürgen Tiedemann ihr Publikum in Piazzollas Welt der Gefühle, changierend zwischen tiefster Melancholie und überschäumendem Temperament. Hier eine einsame Melodie aus gerade einmal einer Hand voll von Tönen, dort loderndes Feuer, packender Rhythmus und ungezügelte Leidenschaft. Das ging direkt unter die Haut, zumal Orchester und Solistin schlichtweg perfekt miteinander kommunizierten und den Eindruck vermittelten, als täten sie seit Jahren nichts anderes, als miteinander zu musizieren. Wobei Piazzollas Partituren alles andere als einfach sind! Da wurde ganz offensichtlich intensiv geprobt und „Feeling“ entwickelt.

Auch für Antonín Dvořák und seine höchst anspruchsvolle Sinfonie „Aus der neuen Welt“! Vor zehn, fünfzehn Jahren hätte man gewiss bedenklich den Kopf geschüttelt, wenn sich das CollMus damals diesem Riesenwerk gewidmet hätte. Aktuell meisterte das Orchester aber auch hier alle Tücken und Klippen, ließ dichte Atmosphäre entstehen, ob im sanften Streicherweben des zweiten Satzes nebst Solo vom Englisch Horn oder im bizarren Scherzo. Ganz zu schweigen von den infernalen Tutti-Passagen, die den Hörsaal regelrecht in einen Dampfkessel verwandelten. Adrenalin für die Ohren und anschließend stürmischer Applaus im fast voll besetzten H1.