Wie auf dem Rummelplatz

von Günter Moseler, Münstersche Zeitung, 13. Juli 2011

Kirmesmusik im Großen Hörsaal. Das lässt nichts Gutes ahnen. Doch das Semesterabschlusskonzert des Collegium musicum instrumentale Münster wurde ein fabelhaftes Konzert.

Die Tuba hinterließ einen verkaterten Eindruck, aber da war sie nicht die Einzige: Piccoloflöten quietschten, als sei man ihnen auf die Füße getreten, die Klarinetten tratschten unentwegt, Fagotte nörgelten, Hörner verkündeten großspurig Losgewinne: In Bernd Alois Zimmermanns „Rheinischen Kirmestänzen“ krakeelen alle die Instrumente und haben das Herz doch auf dem rechten Fleck.

Diese kalkuliert am Rand der Lächerlichkeit balancierende Partitur ist großherzige Musik von oben für die Leute von unten. In seinem Semesterabschlusskonzert gelang dem „Collegium musicum instrumentale Münster“ unter Jürgen Tiedemann im Großen Hörsaal am Hindenburgplatz mit diesem Werk eine hinreißende Repertoire-Überraschung. Die Kirmestänze boten eine günstige Gelegenheit, der wilden Lust am derben Humor zu frönen. Hier schienen schwere Kunst und leichtes Leben in pikanten Dissonanzen harmonisch vereint.

Das Tor zur Welt

Mahler konnte mit einem Takt das Tor zur Welt aufstoßen, und auch der „Blumine“ genügen Harfenklänge, eine elegische Oboe und ein paar Streicherschleifen, um die irreale Atmosphäre märchenhafter Weltverklärung zu suggerieren. Das Orchester, vom Oboisten mit Sehnsuchtstönen in die verdunkelte Heiterkeit dieser Musik gelockt, bewies auch bei den Streichern Glanz und intensive Artikulation. Die Trompete sandte melancholische Fanfaren aus dem orchestralen Hinterhalt, seufzende Portamenti wehten durch die Violinen wie Herbstwind. Einen blumigen Helden feiert auch Wagners „Siegfried-Idyll“, und die Mitglieder des Orchesters schreckten vor risikofreudigen Taten in Takt und Tempo nicht zurück. Das Orchester wogte und pumpte wie ein Heldenherz, die Hörner ließen hier die Grenzerfahrungen heldischen Daseins besonders markant ertönen.

Viel riskiert, alles gewonnen

Antonín Dvoráks Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88 bildete den Höhepunkt des Abends. Orchester und Dirigent riskierten viel und gewannen alles. Jericho-Posaunen erschütterten alle Heiterkeit in ihren Grundfesten, ihr triumphaler Glanz mischte sich mit dem dramatisch entschlossenen Strich der Streicher ebenso wie er die zwiespältig pastoralen Launen der Ecksätze befeuerte. Die sinfonischen Dimensionen gestaltete Tiedemann seriös, ohne brillanten Überdruck, dafür mit Stolz und Sentiment. Ein fabelhaftes Konzert ohne falschen Rummel.