Zur Erbauung des Volkes

von Frederik Wittenberg, Westfälische Nachrichten, 29.01.2014

Es war ein Abend des „Klingt wie“. Auch wenn das Programm des Semesterabschlusskonzertes des collegium musicum ausschließlich aus Werken des 20. Jahrhunderts bestand, wähnte man sich beim Hören in den Sphären des 19. Jahrhunderts. Das hatte bei den drei gespielten Werken unterschiedliche Gründe.

Los ging es mit der Walzerfolge Nr. 2 aus dem „Rosenkavalier“ von Richard Strauß. Jürgen Tiedemann am Pult entlockte dem Orchester mit viel Schmiss und Schmäh eine melodienselige Reminiszenz an das Vorbild Mozart und an Straußens Namensvetter Johann.

War das „Klingt wie“ hier noch dem Opernsujet geschuldet, verhält es sich beim Harfenkonzert von 1938 des russischen Komponisten Reinhold Glière völlig anders. Hier herrscht stalinistische Ausdrucksdiktatur, was konkret heißt: russische Nationalromantik zur Erbauung des Volkes. Lässt man sich darauf ein, schafft es Glière, eine zauberhafte Atmosphäre herzustellen. Helene Schütz hatte mit ihrem Instrument daran entscheidenden Anteil. Bei aller Virtuosität spürte sie den klangfarblichen Raffinessen des Werks aufmerksam nach, das Ergebnis war berauschend schön. Da konnte die Bielefelderin auch ein Saitenriss am Ende des 2. Satzes nicht aus dem Konzept bringen („Das passiert im Leben zweimal!“), der schnell behoben war.

Nach der Pause erklang die letzte Sinfonie eines Schülers von Glière, die 7. Sinfonie cis-Moll von Prokofjew von 1951. Auch hier ist der Einfluss der Stalinschen Musikdoktrin nicht zu überhören. Ein bisschen Tschaikowsky, ein bisschen Rimski-Korsakow und vor allem: viel beschäftigte Schlagwerker mit Xylofon, Glockenspiel, Schellenkranz, Becken, kleiner und großer Trommel.

Überhaupt verdient es alle Achtung, ein so groß besetztes Werk im H1 aufführen zu können. Köstlich zu hören, wie Tiedemann den anbiedernd harmonischen Tonfall des Werks manchmal bis zur Groteske überzeichnet, besonders in der Zirkusmusik des 4. Satzes. Ein Statement? Wer weiß. Verdient großer Applaus für alle Beteiligten.