Auf unbekanntem Terrain
Dirigent Antonio Losa ist „der Neue“ am Pult des „Collegium musicum“. Den großen Apparat hat er aber schon gut im Griff. So wurde das Konzert im H1 „großes Kino“.
Von Christoph Schulte im Walde | Westfälische Nachrichten | 4. Juli 2024
Münsters Musikszene wäre ärmer ohne ihre zahlreichen Orchester aus dem Umfeld der Universität. Weshalb? Weil viele von ihnen hinsichtlich der Programmgestaltung experimentierfreudig sind und neben den „Klassikern“ von Mozart bis Schostakowitsch gern unbekanntes Terrain erkunden. So wie jetzt das „Collegium musicum“ am Dienstag im Hörsaal H 1.
Kennt jemand Samuel Barbers „Knoxville, Summer of 1915“? Oder Erich Wolfgang Korngolds Schauspielmusik zu Shakespeares „Viel Lärm um nichts“? Wohl kaum. Dabei sind diese Werke wunderbar spannend, assoziationsreich, atmosphärisch dicht und einfach einer Wiederentdeckung wert. Zumal, wenn sie so professionell und mit Selbstbewusstsein umgesetzt werden wie hier unter Leitung des Dirigenten Antonio Losa. Er ist seit Semesterbeginn „der Neue“ am Pult des „Collegium musicum“ und hat den großen Apparat sehr gut im Griff, erschafft in Barbers „Knoxville“ eine bizarre Traumwelt eines achtjährigen Kindes zwischen Dämmerung und Schlaf. Sopranistin Yeaseul Angela Park schlüpft mit sicher geführter, flexibler Stimme überzeugend in diese anspruchsvolle Rolle.
Funkelnder Sopran
Buchstäblich großes Kino ist die Musik von Korngold, einem Meister des Effekts, der den Shakespeare-Figuren, darunter dem dicken Sir Falstaff, Leben einhaucht und imaginäre Szenen ausmalt. Wie schön für Antonio Losa, dass „sein“ Orchester alle erdenklichen Farben mobilisiert, für eine tänzerische „Hornpipe“ nicht weniger als für einen getragenen Trauermarsch.
Hundert Jahre früher als Korngold bebildert Otto Nicolai in „Die lustigen Weiber von Windsor“ die Falstaff-Komödie. Mondlicht schimmert, Elfen und Kobolde spielen ihre Streiche – und mittendrin ganz quecksilbrig Katharina Sahmland als listige Frau Fluth. Ihr Sopran wird nach allerletztem Feinschliff (vor allem hinsichtlich der Färbung der Vokale), fraglos noch viel mehr funkeln. Toll war ihr Auftritt auf jeden Fall!
Und toll auch ein letztes Mal das Collegium musicum – mit Georges Bizets 2. L’Arlesienne-Suite, temperamentvoll und gleichzeitig edel im Ton angelegt, mal zart, mal überschäumend wie in der „Farandole“. Wenn das kein packendes Finale war! Eine höchst ungewöhnliche Zugabe kam hinterher. Wer neugierig ist, was es war, hat noch eine Chance, es zu erfahren.
Das Konzert wird am Donnerstag (4. Juli) um 20.15 Uhr im H1 wiederholt. Eintritt frei.