Wenn der Teufels-Bratscher Schampus schlürft Collegium musicum in Bestform

von Günter Moseler, Münstersche Zeitung, 29. Juni 2006

Der Virtuose ist ein Gipfelstürmer ohne Sauerstoffmaske, der auch den Blick in gähnende Noten-Schluchten schwindelfrei erträgt. Für sein Semesterabschlusskonzert in Münsters Großem Hörsaal hatte das studentische Orchester Collegium musicum unter Jürgen Tiedemann drei große Abenteurer der Musikgeschichte aufs Programm gesetzt: Robert Schumann, Niccolò Paganini und Hector Berlioz. Musiker auf Höhenflügen genialen Eigensinns. Es war, wie Berthold Warnecke in seiner kurzweiligen Einführung anmerkte, ein Konzert leidenschaftlicher Verwandtschaften, in die es auch den Engländer Lord Byron hineinzog. Schumanns stürmische „Manfred“-Ouvertüre bezog ihre nervöse Rasanz aus Byrons Schauerepos, und Tiedemann und das Orchester wussten Licht und Schatten dieser Partitur, die meerumtosten Felsklippen der schnellen Passagen souverän auszuspielen. Besonders die Streicher hinterließen einen sicheren Eindruck.

Die „Sonata per la gran viola e orchestra“ des virtuosen Oberteufels Niccolò Paganini stellt jeden Bratscher zufrieden. Der litauische Solist Ilan Schneider durfte hier fingerfertig schlemmen und genießerisch in den höchsten Lagen süße Töne wie Champagner schlürfen, während sich das Orchester mit Grusel-Tremolo aufmerksam im Hintergrund hielt. Die Bratsche war in dieser Partitur eine Diva, die 50 Kellner zu ihrer Bedienung anforderte und nebenher Selbstgespräche führte.

Da klang schon der Einsatz der Kontrabässe zu Anfang von Berlioz‘ spektakulärer Sinfonie „Harold in Italien“ wie reine Zukunftsmusik. Der byronsche Held Harold als Alter ego des Komponisten wandert in den Bergen, liebt, kämpft und fällt unter die Räuber. Im Gegensatz zu Paganini lässt Berlioz die Solo-Bratsche hier nicht über Fitnessgeräte turnen: Ilan Schneider und das Orchester spielten perfekt zusammen.

Das Collegium musicum hat entscheidende Qualitäten hinzu gewonnen, ist im Klang flexibler geworden und agiert mit bemerkenswerter instrumentaler Präzision. Ovationen: zu Recht!