Wenn der Brummbär tanzt
von Arndt Zinkant, Westfälische Nachrichten, 17. Juni 2009
Am Anfang stand ein Moment des Gedenkens. An Dr. Diethard Riehm, den früheren Universitätsmusikdirektor und langjährigen Leiter des Collegium musicum, der im letzten Monat verstorben ist. „Geradezu ein Synonym für das Orchester“ sei Riehm gewesen, so würdigte Jürgen Tiedemann seinen Vorgänger am Dirigentenpult. Stets sei es Riehms Anliegen gewesen, auch Unbekanntes zu präsentieren, ohne belehrend zu wirken. „Ich denke, dieser Abend hätte ihm auch gefallen.“ In der Tat: Wann hat das „Collmus“ zuletzt ein solches Prachtbouquet an (Film-)Musik serviert, die viel zu selten im Konzert erklingt? Wann hat es je mit einem Solisten gespielt, der zu den Weltbesten seines Faches zählt? Nämlich der 24-jährige Kontrabassist Edicson Ruiz, der bei den Berliner Philharmonikern den Rekord als jüngstes Mitglied aller Zeiten hält. So sehen die Früchte des venezolanischen Jugendorchesters „El Sistema“ aus.
Zu den raren Kontrabass-Perlen gehört das „Divertimento Concertante“ von Nino Rota. Der Italiener war das musikalische Ego von Fellini und hat als solcher Filmmusik-Geschichte geschrieben. Posaunist und Moderator Stefan Schulze hatte seine Hausaufgaben gemacht: Wer weiß schon, dass Rota seinen Oscar für „Der Pate“ 1973 zurückgeben musste, weil er die Mafia-Melodie zuvor in einem Kinderfilm benutzt hatte? Sein „Divertimento“ ist ein Frechdachs der konservativen Moderne: Da spielt der Bass Paganini-Paraphrasen, da gibt es Streiche à la Prokofieff, und Edicson Ruiz zeigte, wie federleicht ein dicker Brummbär tanzen kann. Tosender Jubel für den jungen Meister, dessen Instrument so selten aufs Podium darf.
Auch die Filmmusik darf das zu selten. Rotas süffige Siciliano-Streicher zauberten den „Paten“ Marlon Brando auf die imaginäre Leinwand. Sein Walzer-Potpourri aus Viscontis „Der Leopard“ klang hübsch, aber harmlos. Welch wohlige Schauer entfachen dagegen James-Bond-Songs im vollen Orchester! „For your eyes only“ (Bill Conti), „Live and let die“ (Paul McCartney) und natürlich „Goldfinger” von John Barry brauchen keine Ansage (Programmzettel gabs diesmal nicht). Gerade solch cooler „Easy Listening“-Sound verlangt höchste Präzision, und das Collmus war selten so gut drauf wie an diesem Abend. Am Schluss blähten die „Pirates of the Caribbean“ heroisch die Segel und enterten mit fettem Pathos den engen Hörsaal 1. Klaus Badelts Knaller ist bei Filmmusik-Konzerten fast schon Pflicht.