Von rechts brodelndes Blech, von links die Pauken
von Chr. Schulte im Wald, Westfälische Nachrichten, 20. Januar 2010
Mit Mendelssohns Violinkonzert e-Moll erspielte sich Kathrin ten Hagen den zweiten Preis beim Jakob-Stainer-Wettbewerb in Coesfeld, mit demselben Stück gastierte die junge Künstlerin am Dienstag zusammen mit dem Collegium musicum im Hörsaal H 1. Dazwischen liegen lange 13 Jahre . . .
Eine Zeit, in der viel passiert ist, in der sich Kathrin ten Hagen (1982 in Steinfurt geboren) enorm weiter entwickelt hat und sich auf vielen bedeutenden in- und ausländischen Bühnen präsentieren konnte. Sie ist auf einem guten, auf einem sehr guten Weg Richtung Solo-Karriere.
Das unterstrich sie erneut mit ihrer Mendelssohn-Lesart schon in den Eingangstakten des Kopfsatzes: nichts ging banal geradeaus, hier wurde fein gestaltet mit wohl dosierter Agogik.
Ten Hagen spielt auf einer Guarneri von 1663, eine wertvolle Leihgabe der Deutschen Stiftung Musikleben. Das Instrument hat keinen übergroßen, üppigen Ton – aber immer einen beseelten, der den Andante-Satz ganz wunderbar in gesungene Phrasen kleidete.
Dies die Ruhe vor dem Finale-Sturm. Dirigent Jürgen Tiedemann schaffte das Kunststück und hielt Solistin und Orchester eng zusammen, auch an jenen tückischen Stellen, die schon mal gehörig auseinander fallen, wenn Flöten, Holz und Solo-Geige je eigene Wege einschlagen. Hier nicht, hier lief alles weitgehend rund. Und nach dem Riesenbeifall spendierte Kathrin ten Hagen, die derzeit ein Masterstudium im amerikanischen Boston absolviert, ihrem Publikum gleich zwei Zugaben. Toll!
Danach eine völlig andere Welt: Sergej Rachmaninows 2. Sinfonie op. 27. Nahrung für Ohren, die gern ins Wechselbad der Gefühle eintauchen, wobei sich anfangs erst einmal düster dräuende Wolken ausbreiteten.
Doch Jürgen Tiedemann und sein auf Mammutstärke angewachsenes Orchester führten bald hinaus in lichte Höhen. Und dann ging´s weiter mit schillernden Rhythmen, die Schostakowitsch in seiner eigenen Musik später weiter angeschärft hat; mit balsamischen Soli von Englischhorn und Klarinette, mit satten Streichern.
Unglaubliche dynamische Steigerungen schürfte Tiedemann aus dem Klangapparat, von rechts brodelndes Blech, von links Pauken und Trommeln – ein faszinierendes Spektakel, strömend wie ein breiter Fluss in sein Delta. Hier und da würde man dem Orchester gern zurufen: Augen auf – und auf den Dirigenten achten! Denn Tiedemann zeigt alles an, auch schwierige Übergänge und sich ändernde Tempi.