Schwere Brocken mit Leichtigkeit gestemmt
von Arnd Zinkant, Westfälische Nachrichten, 8. Februar 2012
Es gibt Komponisten, die im Schatten der Musikgeschichte stehen, so schillernd ihre Musik auch ist. Nikolai Medtner ist so ein Fall. Ein Klaviertitan, der mit überragendem Handwerk die Spätromantik beschwor, als deren Ära eigentlich schon vorbei war.
Das haben andere auch getan, Sergej Rachmaninoff zum Beispiel. Der hielt den Kollegen Medtner für den Größten seiner Zeit. Und Michael Preiser ist der Mann, eine Lanze für dessen erstes Klavierkonzert zu brechen. Das tat der Münsteraner in fantastischer Manier beim Konzert des Collegium musicum und wurde, natürlich, dafür mit Riesenapplaus gefeiert. Preiser ist auch Leiter des Uni-Chors. Posaunist Stefan Schulze vom „Collmus“ kündigte ihn als Medtner-Spezialisten an – und tatsächlich stemmte er den schweren Brocken auswendig. Und rückte ihm mit verblüffender Leichtigkeit zu Leibe. Kein schwerblütiges Ackern und Donnern – Preisers Finger glitten in fließender Bewegung übers Elfenbein, spürten quecksilbrig den Qualitäten der dicht gestrickten Partitur nach. Zu dicht gestrickt? Die Musik ist sozusagen Rachmaninoff für Fortgeschrittene. Derselbe brillante Sound, doch ohne die magischen Melodien, die sofort im Ohr haften bleiben.
Fragt man, warum das Orchester die Aasee-Aula gegen den H 1 getauscht hat, heißt es: „Klingt besser!“ Das mag für kleine Besetzungen zutreffen, aber Mahlers Erste sprengt im wörtlichen Sinne den Rahmen. Die Blechbläser werden vors Podium gequetscht und in unfreiwilliges „Stereo“ zerrissen. Andererseits: Wenn das Orchester so vors Ohr „gezoomt“ wird, hört man Feinheiten, die sonst untergehen. Die Ferntrompeten zu Beginn schmettern zur Tür herein (Mahlersches Raumkonzept!), und die Streicher vibrieren vor Spannung. Maestro Jürgen Tiedemann dirigiert mit wilder Hand eine ehrgeizige Aufführung, die vor allem in den Binnensätzen fasziniert. Der burschikose Ländler, die Klezmer- Anklänge und der mollschwadige „Bruder Jakob“ sind Mahler pur. Im bombastischen Finale fliegt dann natürlich das Dach weg – aber sei es drum. Der Segen Mahlers war dem Collmus an diesem Abend sicher. Der des Publikums sowieso.