Harfen-Reparatur auf offener Bühne

von Günter Moseler, Münstersche Zeitung, 29. Januar 2014

Er zählt zu den schamlosen Unsympathen der Oper, ein zudringlicher Rüpel, dessen kaltherziger Adels-Dünkel aus jeder Textzeile springt: Der Baron Ochs von Lerchenau ist echt ein Fiesling. Und doch hat Richard Strauss ihn mit unsterblichen Walzerfolgen geadelt.

Es sind die zarten Regungen eines Grobians, die in der „Rosenkavalier“-Walzer-Suite Nr. 2 erklingen. Sie eröffnete am Dienstagabend das Semesterkonzert des „Collegium musicum instrumentale“ unter Jürgen Tiedemann im H 1 mit honigsüßen Stilisierungen.

Strauss lässt hier ein wollüstiges Walzer-Zeremoniell vom Stapel, das sich das Orchester hörbar zu Herzen nahm. Die salbungsvollen Gemeinplätze des skandalösen Adels-Elefanten Ochs ließ Tiedemann genussvoll ausspielen. Die Oper ist zwar Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden, doch Strauss blickt hier hingebungsvoll zurück ins 19. Jahrhundert – und das Orchester folgte ihm.

Spitze Melancholie

Auch das Harfenkonzert op. 74 von Reinhold Glière mobilisiert Hymnen an „die gute alte Zeit“. Helene Schütz rauschte leichtfingrig durch den virtuosen Solopart, ohne die hoheitsvolle Noblesse in der Kadenz zu verleugnen. Ihr Spiel machte klar, wie präzise sich die konventionelle Struktur dem distinguierten Klang der Harfe anschmiegt. Im Variationssatz stürzte sich die Harfe mit spitzzüngiger Melancholie in ihre Kaskaden.

Vor dem Finale riss eine Harfensaite. „Passiert zweimal im Leben“, kommentierte die Solistin trocken und zog mit Assistenz von Tiedemann eine neue Saite auf.

Romantische Fassade

Sergej Prokofieffs Sinfonie Nr. 7 cis-Moll gehört zu jenen Werken, hinter deren romantischer Fassade man noch den beklemmenden Herzschlag des Künstlers wahrnimmt, der unter Stalin litt. Der elegische Beginn, das schwärmerische zweite Thema, bizarre Störmanöver, nostalgische Walzerklänge – Tiedemann interpretierte das Stück als eine Musik, die aus fragmentarischen Gesten besteht, in deren Kern ein ästhetischer Widerstand sich wach hält.

Der Budenzauber des „Allegretto“ zwang das Orchester zum Äußersten, die Dialoge im mineralischen „Andante espressivo“ gelangen expressiv. Dem aufgekratzten Finale ist kaum zu trauen, Harfen-Glissandi, Glockenspiel und Triangel klingen quecksilbrig – es ist vergifteter Humor.

Ein toller Abend, eine erschütternde Musik zum Schluss. Optimal.