Furchtlos an die großen Werke

von Heike Eickhoff, Münstersche Zeitung, 30. Juni 2010

Frédéric Chopins Klavierkonzert Nr.1 (e-Moll, op. 11) gehört bekanntermaßen mit seinem imposanten Eröffnungsthema zu den Superhits der Klavierliteratur. Das Orchest – auch das ist bekannt und wird garantiert vor jeder Aufführung in einführenden Worten oder im Programmheft betont – ist hier nebensächlich und rollt dem Pianisten nur einen etwas merkwürdig flauschigen musikalischen Teppich aus. Doch trotzdem ist dieses Konzert auch mit diesem fadenscheinigen Orchestersatz ein Hörerlebnis. Zumal wenn Pianist Thomas Reckmann einen sehr subtilen und romantischen, zugleich durchdachten Weg beschreitet. Das Collegium Musicum Instrumentale unter Jürgen Tiedemann begleitete ihn am Dienstag im H1 mit viel Freude und Engagement.

Fast zärtlich stieg Reckmann nach dem langen Orchester-Vorspiel in seinen Part, ließ die Läufe perlen und nahm die Phrasen-Enden elegant zurück. Trotzdem, unter der kultivierten, fast distanzierten Oberfläche brodelte es, und so wurde der erste Satz ein echter Klaviergenuss. Tiedemann modelierte zu Beginn des zweiten Satzes den Streicherklang sehr schön, das Klavier sang anschließend auch in leiser Dynamik klar durchhörbar und sauber artikuliert. Auch das junge Solofagott versuchte gutherzig mitzusingen. Ein kleines bisschen allerdings tendierte das zarte Klavierspiel zur Belanglosigkeit, hätte die betont elegante Zurückhaltung abgeworfen werden können. Beschwingt tanzte das Klavier dann durch den dritten Satz, von den Holzbläsern ein wenig in seiner Leichtigkeit gebremst.

Hochexpressiv folgte die zweite Konzerthälfte mit Sir Granville Bantocks „The Witch of Atlas“ (nach dem gleichnamigen Gedicht von Percy Bysshe Shelley). Meinhard Zanger (Intendant des Wolfgang Borchert Theaters) las es in deutscher Übertragung vor. Dann tauchten die begeisterten Musiker tief ins bunte Geschehen. Durch die Verteilung der Schlagzeuger links und der Blechbläser rechts von der Bühne entstand im akustisch spröden H1 ein bisschen Stereo rundherum, und das machte sich hier ganz gut. Ein kleines Stück Musik, das melodisch ständig um das selbe Thema kreist und pseudonaiv mit den Instrumenten spielt.

Durch Bantock dramaturgisch gut vorbereitet folgte Ravels „Bolero“. Schön, wie Ralf Bachmanns kleine Trommel das Collegium Musicum antrieb, wie die Soloposaune weit rechts vom Orchester endlich ihr Lied sang. Ein Kompliment auch an die Holzbläser, allesamt Musikliebhaber, die furchtlos und mit viel Begeisterung an dieses Werk gingen. Tiedemann sorgte für Eleganz und Spielfreude statt großem Zirkus, und so war das Publikum am Ende schlichtweg begeistert.